geboren am 23. Dezember 1930 in Dresden

gestorben am 13. Januar 2024 in Dresden


 
Frau Dr. Magdalene Kemlein war von 1995 an die erste Ehrenvorsitzende der damaligen DMVO e.V., was nur wenigen Vereinsmitgliedern der jetzt benannten DMVS e.V. bekannt sein dürfte.
Das hat seine Gründe, denn Magdalene Kemlein mied die Öffentlichkeit und wirkte musiktherapeutische lieber in aller Stille. Mit dieser Aufgabe betraut, arbeitete sie von 1962 bis 1998 in der Psychotherapieklinik in Dresden Weißer Hirsch und war dort bei einer Vielzahl von Patienten sehr beliebt und von ihren Kollegen geschätzt.
Obwohl sie mit Ausdauer allen fachlichen Kontaktversuchen auswich, hatte sie den Ruf, sich für ihre Patienten über manche Grenzen hinaus intensiv einzusetzen. Diesbezüglich galt Magdalene Kemlein als absolut beharrlich und vertrauenswürdig. Das war auch ein Grund dafür, sie 1995 in einer äußerst schwierigen existenziellen Lage unseres Vereins, bedingt durch die administrativen Veränderungen nach dem Mauerfall, zur Ehrenvorsitzenden der DMVO e. V. vorzuschlagen. Dahinter stand die Hoffnung, dass diese standhafte Persönlichkeit, die sich in ihrem gesamten beruflichen Leben nicht durch politische Quertreibereien beeinflussen ließ und Maßstäbe des Vertrauens gesetzt hatte, zum Hoffnungsträger und Vorbild werden könnte für labilisierte und labilisierende Kolleginnen und Kollegen.
Magdalene Kemlein wurde am 23. Dezember 1930 in Dresden in einer gut situierten Arztfamilie und einem behüteten bürgerlichen Umfeld geboren. Sie studierte nach dem Abitur von 1949 bis 1953 an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar Schulmusik und promovierte 1958 in Berlin zum Dr. paed.
Sie berichtete mir einmal in einem persönlichen Gespräch, dass sie die Absicht hatte, an der Weimarer Musikhochschule eine pädagogisch ausgerichtete Gruppenarbeit nach dem Vorbild Carl Orffs aufzubauen. Das wurde ihr aus politischen Gründen nicht gestattet, wobei für diese Entscheidung eine wesentliche Rolle ihre bürgerliche Herkunft gespielt habe. Weiterhin sagte sie, dass sie, um der politischen Öffentlichkeit möglichst aus dem Wege zu gehen, bewusst den Weg in eine kleine Provinzstadt gesucht hätte und an der Musikschule Bautzen ihr Tätigkeitsfeld gefunden hat. Dort war sie von 1958 bis 2000 erfolgreich als Musikpädagogin tätig und konnte vieles von dem aufbauen, was ihr an der Weimarer Musikhochschule verwehrt geblieben war. Das betraf vor allem Chorarbeit sowie improvisatorische Gruppenarbeit im Sinne von Carl Orff.
Sicherlich spielte die Herkunft aus einem Medizinerhaushalt, vor allem aber die freundschaftliche Nähe zum Chefarzt der Dresdner Psychotherapieklinik auf dem Weißen Hirsch, dem Internisten Dr. Born, eine Rolle, dass sie ab 1962 zusätzlich zu ihrer Tätigkeit an der Musikschule in Bautzen, eine gruppenmusiktherapeutische Arbeit an dieser Klinik begann. Diese zusätzliche Tätigkeit, die sie bis 1998 offiziell ausführte, setzte sie auch danach noch mehrere Jahre lang ambulant fort. Außerdem leitete sie bis ins hohe Alter Selbsthilfegruppen von Menschen mit Multipler Sklerose und wirkte auch dort musiktherapeutisch mit großem Engagement.
Es war naheliegend, dass sich ihre musiktherapeutische Arbeit vor allem an den Ideen Carl Orffs ausrichtete. Orff verstand Musik bzw. das improvisatorische Musikmachen vor allem als eine persönlichkeitsbildende Kraft. Für Magdalene Kemlein wurde das Volkslied sowie das sogenannte „offene“ Singen in der Gruppe ein therapeutisches Kernanliegen, womit sie einer sehr großen Anzahl von Menschen vielfältige lebensbejahende Impulse vermitteln konnte.
Mit Magdalene Kemlein ist eine der letzten Musiktherapeutinnen von uns gegangen, die in der ostdeutschen Tradition des kirchlichen Gruppensingens im Geiste von Martin Luther stand, denn bereits Martin Luther hatte verkündet, dass das Singen die Kraft habe „Leib und Seele zusammenzuhalten“.
Im Januar 2024
Dr. Christoph Schwabe