Wie reagieren Therapie und Pädagogik auf „schwierige Kinder“?

04.11. – 06.11.2014

An diesem Wochenende spannte sich ein weiter Bogen vom Bildschock zum Filmerlebnis, vom Vortrag über die ADHS-Gesellschaft von Herrn Prof. Türcke zum Lied über „Schwierige Kinder“ von Matthias Trommler. Wer ist eigentlich schwierig? Sind Kinder nicht ein Spiegel der Gesellschaft?

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern sind eher ernüchternd und doch gibt es einzelne Bestrebungen, der einseitigen Förderung und Uniformierung von Kindern zu begegnen und ein Umdenken anzuregen. Das konnte man in den verschiedensten Vorträgen an diesem Wochenende erleben, z.B. im Vortrag von Herrn Diskowski, der im Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Einfluss auf die Umgestaltung der Erzieherausbildung nimmt. Die veränderte kindliche Lebenswelt erfordert andere Herangehensweisen, die Natascha Unfried, Antje Stolz, Marlies Pfeiffer und Franziska Herrmann, auf ihren Tätigkeitsbereich bezogen, ansprachen. In den beiden Symposien am Samstag wurden Einzelbeispiele aus dem therapeutischem und pädagogischem Umfeld vorgestellt, wie und wo trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen Möglichkeiten für dem Kind zugewandten Handelns vorhanden sind, aber auch wo es Grenzen gibt.
Nach den anregenden und intensiven Vorträgen konnte man am Samstagabend Musik erleben: z.B. Kammermusikalisches auf der Theorbe, der Violine und mit Gesang, oder mit dem jungen freien Orchester aus Jena, das uns in die Filmmusik entführte. Andere kulturelle Einlagen waren der Damenchor unter der Leitung von Kerstin Rilke, die Coverversion der 3 Gäns im Haberstroh, die Begegnung mit Edeltraud Wirsing, die das Konzept des Topfens mit Musik propagierte oder auch die kurzen humorvollen Geschichten von Ulf Gladis.
Die abschließende Podiumsdiskussion am Sonntag, nachdem Filmausschnitte aus „Erzieherin: Beruf oder Berufung“ von Kurt Gerwig gezeigt wurden, verdeutlichte, wie wichtig es ist, sich der Person zuzuwenden. Damit ist natürlich die Kinderpersönlichkeit, aber auch die der pädagogischen oder therapeutischen Bezugsperson gemeint. Andere einladen, ermutigen und inspirieren – ein Fazit, mit dem selbst inspiriert viele Tagungsteilnehmer nach Hause fuhren.

Sabine Schenke, Limbach-Oberfrohna

 

 

Das Symposium I: Erfahrungen mit „schwierigen Kindern“ in der ambulanten und stationären Therapie wurde durch vier beeindruckende Vorträge bestimmt. Antje Stolz stellte in ihrem Referat Möglichkeiten musiktherapeutischer Diagnostik, als qualitative Ergänzung zu „klassischen“ Diagnoseinstrumenten vor. Tolles Ergebnis: Es fanden sich sofort Interessenten, welche in Form eines neuen Arbeitskreises „Musiktherapeutische Diagnostik“ die Inhalte aufgreifen und weiterführen möchten.
Darauf folgte ein sehr persönlicher und anschaulicher Vortrag von Paula Müller über ihre musiktherapeutischen Erfahrungen während ihrer Praktikumszeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die beiden folgenden Beiträge verdeutlichten in beeindruckender Art Erfahrungen, Belastungen und Erfolge in der therapeutischen Arbeit mit „schwierigen“ Kindern: Silke Klemm als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin berichtete in einem Fallbericht über die Langzeittherapie eines anfangs „schwer therapierbaren“ Kindes, und Anke Parybyk-Landes sprach über die therapeutische Begleitung eines Kindes mit Asperger-Syndrom. Beide Referentinnen stellten ähnlich wie Paula Müller eindrücklich dar, wie wichtig bei der therapeutischen Arbeit die Beziehungsgestaltung ist und welche Erfolge sich zeigen können, wenn man den Kindern „auf Augenhöhe“ begegnet, sie und ihr „störendes“ Verhalten im Sinne von Signalen ernst nimmt. Auch wurde hierbei deutlich, welche Potenz unser Musiktherapiekonzept durch die Betonung der Beziehungsgestaltung und der Wahrnehmung hat.

Gerhard Landes, Jena

 

 

Im Symposium 2 – Erfahrungen mit „schwierigen Kindern“ im pädagogischen Bereich, berichteten fünf sehr kompetente Musiktherapeutinnen aus ihrer Arbeit. Die Beiträge berichteten von der Arbeit mit Kindern im frühen Kindesalter bis hin zur Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Konkret beschrieben die Vorträge das Gruppensingen in einer Kindergartengruppe (Ute Haesner), eine Einzelbegegnung mit einem Jungen, der bereits sein Stigma hatte, (Delia Lengwinat) des weiteren den Umgang mit „Störungen“ im Musikunterricht (Sabine Schenke) bis hin zum Erarbeiten eines Musiktheaterprojektes und dem damit verbundenen außergewöhnlichen Prozess. (Franziska Pfaff, Janina Howitz)
In allen Berichten wurde immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, die eigene Person zu reflektieren, das Gegenüber und sich selbst wahrzunehmen, Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen aufzubringen, um mit Empathie und Authentizität den Kindern gegenüber zu treten. Lernen kann gelingen, wenn die Neugier bei Kindern geweckt ist und zum Tragen kommen kann; aber auch, wenn die Ressourcen der Kinder gesehen und Störungen als ein Signal verstanden werden, Kinder als ein Gegenüber ernst zu nehmen.
Dieser Nachmittag hat Mut gemacht und gezeigt, dass fachlicher Austausch im Miteinander sehr wichtig ist, auch um sich zu stärken. Man muss nicht als Einzelkämpfer dastehen und braucht nicht die ganze Welt zu retten. Aber man kann da sein für die anvertrauten Kinder und Jugendlichen.

Kerstin Rilke, Schleiz